IFK-Stellungnahme zu neuen Gesetzen

Aus gegebenem Anlass stellt der IFK die kommenden Gesetze zusammen, die auch Einfluss auf die Physiotherapie in Deutschland haben werden. IFK-Geschäftsführer Dr. Frank Dudda bewertet dabei, welche positiven Aspekte die Gesetze haben - und wo noch dringend nachgearbeitet werden muss. Der Artikel ist eine Vorab-Veröffentlichung aus der nächsten Ausgabe 1/15 der Zeitschrift physiotherapie.

Mit insgesamt drei Gesetzgebungsverfahren will Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU) die aus seiner Sicht notwendigen Veränderungen im deutschen Gesundheitswesen in Angriff nehmen. Dabei hat er Modifikationen der Versorgungsstruktur genauso im Blick wie eine Neuausrichtung im Bereich der Prävention und der Telematik. Während die derzeitigen Zeitpläne für das Versorgungsstärkungsgesetz ein schrittweises Inkrafttreten ab 2015 vorsehen, kann man mit dem Kabinettsbeschluss zum Präventionsgesetz erst zum Jahresende 2014 rechnen, was ein Inkrafttreten zum Jahr 2016 wahrscheinlich macht. Valide Aussagen zum Zeitplan eines E-Health-Gesetzes können zum Redaktionsschluss noch nicht gemacht werden. Der entsprechende Referentenentwurf des Gesetzes war ebenfalls für Ende letzten Jahres angekündigt.

Versorgungsstärkungsgesetz (VSG)
Das geplante Versorgungsstärkungsgesetz wird zum Frühjahr 2015 in Kraft treten und hat das Ziel, die bedarfsgerechte, flächendeckende und gut erreichbare medizinische Versorgung von Patienten weiter auf hohem Niveau sicherzustellen. Es enthält jedoch vielen Detailregelungen, die schrittweise erst 2016 oder gar 2017 ihre Wirkung entfalten sollen. Das VSG beinhaltet auch Erleichterungen für die Arbeit in den Physiotherapiepraxen. Ein großer Wurf ist es jedoch nicht. Der bisher vorgelegte Referentenentwurf bedarf noch an vielen Stellen der Veränderung. Folgende Regelungen sind für Physiotherapeuten derzeit von besonderer Relevanz:

1. Das Entlassungsmanagement aus Krankenhäusern wird verbessert
In § 39 Abs. 1 a SGB V soll eine Neufassung des Entlassungsmanagements Eingang finden. Bislang ist es nach einer Krankenhausbehandlung häufig zu Leistungslücken gekommen. Nun soll die Möglichkeit der Krankenhäuser, im Anschluss an die Krankenhausbehandlung Leistungen zu verordnen, diesbezüglich Abhilfe schaffen. Vorgesehen ist die Verordnungsdauer von maximal sieben Tagen. Diese stößt jedoch auf Kritik des IFK, die wir im Zuge der Anhörungen zum Gesetzgebungsverfahren regelmäßig zum Ausdruck bringen werden.

Unsere Kritik
Die in der Gesetzgebungsbegründung aufgeführte Gleichstellung der Krankenhäuser mit den Vertragsärzten im Entlassungsmanagement wird durch die vorgesehene Verordnungsdauer von maximal sieben Tagen nicht erreicht. Die vorgegebene Regelung ist nicht systemkonform. Hier sollten wir die Möglichkeit der Krankenhäuser einfordern, eine Erstversorgung im Rahmen der Heilmittel-Richtlinien auszustellen.

2. Rechnungskürzungen sollen vermieden werden
Ein Hauptziel der Arbeit des IFK und des Spitzenverbands der Heilmittelverbände (SHV) greift das Gesetzgebungspaket auf: Die (häufig willkürlichen) Rezeptabsetzungen sollen zukünftig nach § 73 Abs. 8 SGB V ausgeschlossen werden. Das ist sicher eine gute Botschaft. Zu diesem Zweck erhalten Ärzte Vorgaben für den Einsatz ihrer Praxissoftware. Heilmittelverordnungen könnten demnach nur noch fehlerfrei ausgedruckt werden, Rechnungskürzungen aufgrund fehlender oder falscher ärztlicher Angaben wären drastisch reduziert.

Unsere Kritik
Aus unserer Sicht ist zunächst zu monieren, dass die geplante Frist für die Einführung der neuen von der KBV zertifizierten Programme zur Vermeidung von Rechnungskürzungen (31. Juli 2016) viel zu lang ist. Auch unter Berücksichtigung der zuvor noch nötigen Änderungen im Bundesmantelvertrag ist ein Inkrafttreten zum 31. Oktober 2015 machbar.

3. Rechte maßgeblicher Heilmittelverbände gestärkt
Der Referentenentwurf regelt das Verhältnis zwischen den maßgeblichen Heilmittelverbänden in der SHV (etwa dem IFK) und dem GKV-Spitzenverband in Sachen Vereinbarung von notwendigen Angaben auf der Heilmittelverordnung neu. In den einheitlichen Regelungen zur Abrechnung von Heilmittelverordnungen sollen insbesondere die Korrekturmöglichkeit, Korrekturform und der Korrekturzeitpunkt der Abrechnung festgelegt werden. Rezepte ohne Bezahlung nur aufgrund formaler Fehler bei der Ausstellung der Verordnung bzw. ohne Korrekturmöglichkeit soll es nicht mehr geben. Positiv zu würdigen ist zunächst die Aufwertung des SHV, die dem einseitigen Handeln der Kassen an dieser Stelle nunmehr wirkungsvoll begegnen kann. Zukünftig werden diese Regelungen auf Augenhöhe ausgehandelt.

Unsere Kritik
Problematisch an dieser Regelung ist jedoch zum einen, dass der GKV-Spitzenverband bislang wenig Interesse gezeigt hat, sich über neue Rahmenempfehlungen mit dem SHV zu verständigen. Zum anderen ist das Kernproblem in den Rahmenempfehlungen immer noch, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts, wonach die maßgeblichen Verbände das Recht und die Pflicht haben, die Fortbildungslandschaft der Branche zu regeln, rechtskräftig ist. Daher wäre eine weitere Klarstellung in § 125 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten sinnvoll.

4. Richtgrößenprüfungen vor der Abschaffung
Ein weiterer positiver Aspekt ist sicherlich der geplante Wegfall von Richtgrößenprüfungen, um den Regressdruck der Ärzteschaft weiter zu minimieren. Gerade die Richtgrößenprüfungen haben in der Vergangenheit immer zu psychologischem Druck bei der Ärzteschaft gesorgt und dazu beigetragen, notwendiges Verordnungsverhalten an vermeintlichen Budgetzwängen scheitern zu lassen. Dieses Problem will der Gesetzentwurf nun angehen, indem er die Richtgrößenprüfung entfallen lassen und zur Wirtschaftlichkeitsprüfung regionale Vereinbarungen heranziehen will.

Unsere Kritik
Auch die vorgesehene Fristenregelung in Bezug auf die Neuregelungen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen und den Wegfall der Richtgrößen (ab Januar 2017) ist unerklärlich lang. Berücksichtigt man, dass nach § 106 b) Abs. 2 SGB V n.F. die notwendigen vorgelagerten Beschlüsse bereits bis zum 31. Oktober 2015 getroffen werden müssen, fordern wir den Wegfall der Richtgrößenprüfung bis zum Jahresende 2015. Zumal der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vorgibt, dass die heutigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen inklusive der Regresse bereits bis Ende des Jahres 2014 durch andere Vereinbarungen ersetzt werden.

5. Innovationsfonds
Ein neuer Innovationsfonds, dem jährlich 300 Millionen Euro ab dem Jahr 2016 zur Verfügung stehen sollen, ist zur Überwindung sektoraler Grenzen in der Versorgung und zur Entwicklung neuer Versorgungsformen vorgesehen. Welche Projekte gefördert werden, entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA). Der Versorgungsforschung soll aus dem Topf 75 Millionen Euro jährlich zufließen. Die sektorenübergreifenden Versorgungsprojekte sollen mit 225 Millionen Euro jährlich gefördert werden. Im Rahmen der Versorgungsforschung können die Gelder auch verwendet werden, um bestehende Richtlinien wie die Heilmittel-Richtlinie zu evaluieren.

Unsere Kritik
Der IFK begrüßt zunächst die grundsätzliche Möglichkeit, innovative Projekte in Sachen Telemedizin oder Modellvorhaben in Sachen neue Aufgabenverteilung zwischen Ärzten und Nicht-Ärzten über den Innovationsfonds gefördert zu bekommen. Blickt man jedoch auf die Zusammensetzung des zuständigen Innovationsausschusses beim GBA, so sind doch erhebliche Zweifel angebracht, dass das Geld auch an nicht-ärztliche Leistungserbringer fließt. Dort sitzen neben den Vertretern des Bundesministeriums für Gesundheit und des GKV-Spitzenverbands nur ein Vertreter der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser. Allesamt haben sich in der Vergangenheit nicht als Motor der Veränderung in Bezug auf eine neue Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen gezeigt.

6. Sonstiges
Zudem plant die Bundesregierung die Errichtung von Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schwere Mehrfachbehinderungen (§ 119 c) SGB V) sowie ein neues strukturiertes Behandlungsprogramm zur evidenzbasierten Behandlung auf der Grundlage von Leitlinien zur Behandlung von Rückenschmerzen in § 137 f. SGB V. Dieses soll bis zum 31. Dezember 2016 durch den GBA entwickelt werden.

Was fehlt?
Der Regierungsentwurf enthält keinerlei Regelungen zur Neuordnung der Aufgabenbereiche zwischen Ärzten und Physiotherapeuten. Mögliche Novellierungen unseres Berufsgesetzes (MPhG) zur Vermeidung von Umwegen über beschränkte Heilpraktikererlaubnisse werden nicht thematisiert. Für eine angemessene Vergütung in der Physiotherapie gibt es keine Anhaltspunkte. Weder gibt es Hinweise, wie der immer noch zu beklagende Ost-West-Unterschied der Vergütungen beendet werden kann noch fällt die Bindung an die Grundlohnsumme, das Haupthindernis in den Verhandlungen mit den Krankenkassen zu einem elementaren Durchbruch in der Vergütungssituation in der Branche. Das ist schon deswegen eine Enttäuschung, da der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und der SPD eigentlich in aller Deutlichkeit das Ziel formuliert hat, auch nicht-ärztliche Gesundheitsberufe leistungsgerecht zu vergüten. Das Gesetz schweigt sich dazu jedoch aus. Der IFK wird kontinuierlich die Regierungskoalition und den Gesundheitsminister an seine Zusagen erinnern und konkrete Verbesserungen der unzulänglichen Vergütungssituation einfordern.

Fazit
Das VSG enthält sinnvolle Ansätze, um die Arbeit in den Physiotherapiepraxen zu verbessern. Viele Regelungen kommen jedoch nach dem bisherigen Entwurf zu spät und das Kernproblem der Branche, die unzureichende Vergütung, wird wieder nicht angefasst. Grund zum Jubel sieht der IFK daher nicht. Es bleibt dabei: Das Kämpfen für Verbesserungen wird anhalten. Verbesserungen sind nur in kleinen Schritten möglich.

Präventionsgesetz
Mehrfach wurde ein Präventionsgesetz in Deutschland angekündigt. Doch noch nie ist ein solches Gesetz zustande gekommen. Jetzt soll alles anders werden. Im Dezember hat das Bundeskabinett einen Entwurf freigegeben, der anschließend in die Anhörungen geht und schließlich voraussichtlich zum 1. Januar 2016 in Kraft treten soll. Der IFK begrüßt seit langem ein solches Gesetz, da die Finanzierung von Präventionsangeboten deutlich verbessert wird. Geplant ist ein Ausgabenvolumen von 500 Millionen Euro. Kassen sollen pro Versichertem zukünftig sieben statt bislang etwa drei Euro ausgeben. Auch die Pflegekassen wären zukünftig mit 30 Cent pro Versichertem an Bord. Mithin müssten sie dann 21 Millionen Euro für Prävention zur Verfügung stellen. Nach den vorliegenden Eckpunkten für das seit mehr als zehn Jahren überfällige Gesetz soll vor allem der sogenannte Setting-Ansatz gestärkt werden, Kommunen und Stadtteile, Kindertagesstätten und Schulen, Senioreneinrichtungen und Betriebe wären danach besonders zu fördern.

Die Arbeitgeber wären insbesondere gefordert, die Potenziale der betrieblichen Gesundheitsförderung zu nutzen. Der Schwerpunkt dazu soll auf kleine und mittelgroße Betriebe gelegt werden. Der IFK sieht sich diesbezüglich mit seinen Mitgliedspraxen besonders gut aufgestellt. Mit seinen Innovationsprojekten etwa „Betrieb in Bewegung" oder „Fit im Betrieb" wird der IFK mit seinen Mitgliedspraxen wesentlich zur Marktdurchdringung beitragen können(vgl. physiotherapie 6/14, S. 10 f.). Der IFK ist daher ein Befürworter des neuen Präventionsansatzes.

E-Health-Gesetz
Mit besonderem Interesse sieht der IFK schließlich dem angekündigten E-Health-Gesetz entgegen. In Rahmen der Telematik ist der IFK aufgrund seines Modellprojekts elektronischer Heilberufsausweis besonders gut aufgestellt. Bekanntlich verfügen IFK-Praxen über die ersten 1.000 Heilberufsausweise, die sie in der Telematikinfrastruktur auf Augenhöhe mit den Ärzten bringen (vgl. physiotherapie 4/13). Wichtig ist nun, dass in dem neuen Gesetz endlich auch Physiotherapeuten Zugriff auf Patientendaten eingeräumt bekommen und dass nicht nur Ärzte für den Einstieg in die Telematikinfrastruktur finanziell entlohnt werden. Auch die Anschaffung der notwendigen Hard-und Software in den Physiotherapiepraxen muss durch die Krankenkassen gegenfinanziert werden. Hier liegt noch viel Arbeit vor dem IFK. Näheres wird jedoch erst der angekündigte Referentenentwurf des E-Health-Gesetzes zeigen.

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