Teil 1: Ausgezeichnete Forschungsarbeiten
Mit dem Ziel, die wissenschaftliche Arbeit in der Physiotherapie und eine Akademisierung des Berufsstandes zu unterstützen, kürt der IFK seit 2005 jedes Jahr in feierlichem Rahmen die besten Abschlussarbeiten aus Studiengängen der Physiotherapie. Beim diesjährigen 13. Tag der Wissenschaft erhielten insgesamt sechs Bachelor- und Master-Absolventen einen der begehrten IFK-Wissenschaftspreise.
Die Forschungsergebnisse der Preisträgerinnen und Preisträgern geben interessante Antworten auf aktuelle physiotherapeutische Fragestellungen. Diese möchten wir Ihnen natürlich nicht vorenthalten und stellen die einzelnen Abstracts der preisgekrönten wissenschaftlichen Arbeiten noch einmal vor.Die erste Preisträgerin der Serie ist Isabelle Stickdorn (hsg Bochum), die mit ihrer Bachelorarbeit zum Thema „Identifikation von älteren Menschen mit Frailty in der ambulaten physiotherapeutischen Versorgung: Validität von vier Screening-Fragebögen“ den 1. Preis in der Kategorie „Klinische Forschung“ erhielt:
Hintergrund: Frailty beschreibt den vulnerablen Zustand älterer Menschen für negative Gesundheitsereignisse. Die frühzeitige Identifikation von Frailty im ambulanten Sektor ist besonders wichtig, damit die betroffenen Personen eine adäquate Versorgung erhalten können. Es existieren zahlreiche Screening-Instrumente zur Identifikation von Frailty. Screening-Fragebögen stellen eine mögliche Screening-Methode dar. Die diagnostische Validität der meisten Screening-Fragebögen sind bislang nur unzureichend untersucht worden.
Ziel: Untersuchung der diagnostischen Validität von vier Screening-Fragebögen zur Identifikation von Frailty in der ambulanten physiotherapeutischen Versorgung.
Methode: Die Studie wurde in vier Physiotherapiepraxen in Bochum über einen siebenwöchigen Zeitraum durchgeführt. Die Studienteilnehmer waren 65 Jahre oder älter und befanden sich zum Zeitpunkt der Studiendurchführung in physiotherapeutischer Behandlung. Als Indextests wurden das PRISMA-7, die FRAIL-Scale, das SHARE-Frailty Instrument (SHARE-FI) und der Groningen Frailty Indicator (GFI) durchgeführt. Die Indextests wurden mit dem Frailty Phänotyp und dem Frailty Index als Referenztests verglichen. Sensitivität, Spezifität sowie positiver und negativer Vorhersagewert wurden berechnet. Die diskriminative Validität der einzelnen Screening-Fragebögen wurde anhand der „Area under the curve“ (AUC) bestimmt.
Ergebnisse: Die Studienpopulation umfasste 94 Probanden mit einem Durchschnittsalter von 74,5 ±5,7 Jahren. Die Prävalenz von Frailty variierte zwischen 3,2 Prozent und 33,0 Prozent je nach angewandtem Index- oder Referenztest. Die diskriminative Validität der einzelnen Screening-Instrumente konnte als hervorragend beurteilt werden (AUC>0,90). Die FRAIL-Scale zeigte mit einer Sensitivität von 1,00, einer Spezifität von 0,99, einem positiven Vorhersagewert von 0,75 und einem negativem Vorhersagewert von 1,00 die beste diagnostische Validität zur Identifikation von Frailty nach Frailty Phänotyp. Zur Identifikation von Frailty nach Frailty Index zeigte die FRAIL-Scale die beste Spezifität (1,00) und den besten positiven Vorhersagewert (1,00). PRISMA-7 erreichte den besten negativen Vorhersagewert (0,99) und mit dem GFI zusammen den besten Sensitivitätswert (0,91).
Schlussfolgerung: Aufgrund der kleinen Stichprobengröße und der niedrigen Prävalenz von Frailty nach Referenztests (3,2 bzw. 11,7 Prozent) sind die Ergebnisse der diagnostischen Validität der vier Screening-Fragebögen nicht generalisierbar. Weitere Studien zur Güte der Screening-Fragebögen erscheinen notwendig.