Akute Rückenschmerzen: Frühzeitige Physiotherapie zahlt sich aus
Bei akuten Rückenschmerzen zahlt sich eine frühzeitige Physiotherapie aus. Der Direktzugang zum Physiotherapeuten würde Kosten und Schmerzen ersparen.
Lumbale Rückenschmerzen (d. h. im Bereich der Lendenwirbel) sind nach wie vor einer der häufigsten Gründe, sich in eine medizinische Behandlung zu begeben. Die Kosten der Behandlungen explodieren, auch weil viele unnötige Maßnahmen durchgeführt werden. Neue Studien belegen: Bei akuten Rückenschmerzen können Patienten durch eine in den ersten zwei Wochen begonnene Physiotherapie am meisten profitieren. Dies ist besonders in der derzeitigen Diskussion um den Direktzugang zum Physiotherapeuten interessant: Denn mit dem so genannten Direct Access könnten Patienten schneller beim Physiotherapeuten behandelt werden, was überflüssige Schritte für Patienten und Kostenträger vermeidet.
Hintergrund
In Deutschland ist Rückenschmerz die häufigste Schmerzursache und die damit einhergehenden, jährlich zunehmenden direkten Krankheitskosten von mehr als 8,3 Mrd. Euro im Jahr sind gravierend (vgl. Wenig et al. 2009). Laut einer Forsa-Umfrage in Auftrag der Techniker Krankenkasse leiden fast zwei Drittel der Frauen und über die Hälfte der Männer häufig oder dauerhaft an Rückenschmerzen. Besonders alarmierend: Bei den 18- bis 25-jährigen jungen Erwachsenen sind es auch schon fast die Hälfte, die unter Schmerzen im Rücken leiden. Treten die Beschwerden erstmalig auf, lässt sich die Mehrheit innerhalb von zwei bis vier Wochen beseitigen. Bei einem Viertel der Betroffenen kommt es jedoch zu wiederkehrende Schmerzepisoden. Darüber werden Rückenschmerzen immer häufiger chronisch. (vgl. Childs et al. 2015).
Bildgebende Verfahren und Operationen oft unnötig
Internationale Leitlinien empfehlen bei akuten unspezifischen Rückenschmerzen, nicht verfrüht bildgebende Verfahren anzuwenden. Röntgen, CT oder MRT sind in diesem Zusammenhang zumeist weniger sinnvoll und bringen hohe volkswirtschaftliche Kosten mit sich (vgl. Jarvik et al. 2015). Darüber hinaus kann die frühe Anwendung bildgebender Verfahren den Patienten den Optimismus einer Heilung nehmen und das Vertrauen, selbst etwas bewirken zu können, empfindlich stören. Das begünstigt wiederum die Anwendung weiterer Folgeverfahren wie Operationen und damit auch das Risiko einer immensen Steigerung der Kosten (vgl. Childs et al. 2015). Laut der Techniker Krankenkasse (2015) werden in Deutschland zu häufig unnötige Rückenoperationen durchgeführt. So haben sich 85 Prozent der Rücken-Eingriffe nach einer Zweitmeinung als unnötig herausgestellt.
Frühe Überweisung zum Physiotherapeuten lohnt sich
Die von der Ärzteschaft herausgegebene Nationale Leitlinie Kreuzschmerz empfiehlt zwar derzeit noch bei akuten, unspezifischen Rückenschmerzen, Physiotherapie (Krankengymnastik) zunächst nicht zu verordnen. Eine aktuelle Studie von Childs et al. (2015) widerspricht allerdings dieser These und fordert eine Überprüfung dieser Empfehlung. Childs et al. fanden heraus: Menschen mit akuten, unspezifischen Rückenschmerzen, die spätestens nach 14 Tagen vom Physiotherapeuten behandelt wurden, verursachten im Durchschnitt 60 Prozent weniger Kosten, als Patienten, die erst später zum Therapeuten überwiesen wurden. Demnach mussten Patienten, die früh zum Physiotherapeuten konnten, signifikant seltener operiert, gespritzt oder mit bildgebenden Verfahren untersucht werden. In diesen frühen physiotherapeutischen Behandlungen wurde besonders das Erlernen von aktiven Verhaltensstrategien durch Anleitung und Coaching des Therapeuten in den Mittelpunkt gesetzt, bevor der Patient möglicherweise negative Überzeugungen und Erwartungen hinsichtlich seiner Beschwerden entwickelt.
Der nächste Schritt: Ohne Rezept direkt zum Physiotherapeuten
Daher hat sich inzwischen bei verschiedenen Akteuren im Gesundheitssystem die Auffassung durchgesetzt, dass ein Direktzugang zum Physiotherapeuten, also ohne dass der Patient erst ein Rezept des Arztes einholen müsste, viele Vorteile bringt. Dabei geht es keineswegs darum, dass der Physiotherapeut den Arzt ersetzen sollte. Vielmehr wird die Aufgabenverteilung der Zukunft darauf ausgelegt sein, dass jeder medizinische Beruf seine Kompetenzen dort einsetzt, wo sie für den Patienten am meisten Sinn machen. Das heißt: Erkennt der Physiotherapeut bei einem Patienten, dass er weitere ärztliche Hilfe benötigt, schickt er ihn zum Arzt – und Ärzte überweisen bei entsprechender Indikation frühzeitig zum Physiotherapeuten. Nur sollten Patienten schon direkt den Physiotherapeuten aufsuchen dürfen, um ohne Verzögerung gegen Schmerzen vorgehen zu können. Das eine größere Autonomie für Physiotherapeuten für alle Beteiligten von Vorteil ist, hat der Physiotherapie-Berufsverband IFK bereits in einem Modellvorhaben geprüft, das derzeit noch läuft und vor endgültigem Abschluss schon vielversprechende Ergebnisse in Aussicht stellt. Auch international belegen bereits eine Anzahl von Studien die Vorteile eines Direktzugangs zum Physiotherapeuten (vgl. u.a. Ojha et al. 2014). Laut der Canadain Physiotherapy Association (2013) sind die größten Nutzen des Direktzugangs: Kostenreduzierung für das Gesundheitssystem, gesteigerte Patientenzufriedenheit, reduzierte Krankheitstage und Reduzierung des Chronifizierungsrisikos durch einen frühen Beginn der Physiotherapie.
Fazit
Bei akuten, unspezifischen Rückenschmerzen sind vorschnelle Röntgenuntersuchungen und Operationen häufig weniger zielführend. Vielmehr hat sich gezeigt, dass eine früh einsetzende Physiotherapie den Patienten mehr Motivation und Optimismus vermittelt und anleitet, selbst aktiv an der Heilung teilzuhaben. Aktuelle Untersuchungen haben gezeigt, dass die Behandlung durch den Physiotherapeuten zu signifikant weniger Operationen, Injektionen oder weiteren bildgebenden Verfahren führt. Dies legt zweifelsfrei nahe, dass der Direktzugang zum Physiotherapeuten aus Sicht von Patienten, Kostenträgern und der gesamten Volkswirtschaft ein geeignetes Instrument ist, um schneller mit der Therapie beginnen zu können und somit Schmerzen rascher zu lindern und weitere Kosten zu ersparen. Physiotherapeuten und Ärzte können somit zudem ihre Zusammenarbeit auf Augenhöhe stärken. Das würde den Patienten mehr dienen als ausschweifende Debatten über einen Ärztemangel.
Lumbale Rückenschmerzen (d. h. im Bereich der Lendenwirbel) sind nach wie vor einer der häufigsten Gründe, sich in eine medizinische Behandlung zu begeben. Die Kosten der Behandlungen explodieren, auch weil viele unnötige Maßnahmen durchgeführt werden. Neue Studien belegen: Bei akuten Rückenschmerzen können Patienten durch eine in den ersten zwei Wochen begonnene Physiotherapie am meisten profitieren. Dies ist besonders in der derzeitigen Diskussion um den Direktzugang zum Physiotherapeuten interessant: Denn mit dem so genannten Direct Access könnten Patienten schneller beim Physiotherapeuten behandelt werden, was überflüssige Schritte für Patienten und Kostenträger vermeidet.
Hintergrund
In Deutschland ist Rückenschmerz die häufigste Schmerzursache und die damit einhergehenden, jährlich zunehmenden direkten Krankheitskosten von mehr als 8,3 Mrd. Euro im Jahr sind gravierend (vgl. Wenig et al. 2009). Laut einer Forsa-Umfrage in Auftrag der Techniker Krankenkasse leiden fast zwei Drittel der Frauen und über die Hälfte der Männer häufig oder dauerhaft an Rückenschmerzen. Besonders alarmierend: Bei den 18- bis 25-jährigen jungen Erwachsenen sind es auch schon fast die Hälfte, die unter Schmerzen im Rücken leiden. Treten die Beschwerden erstmalig auf, lässt sich die Mehrheit innerhalb von zwei bis vier Wochen beseitigen. Bei einem Viertel der Betroffenen kommt es jedoch zu wiederkehrende Schmerzepisoden. Darüber werden Rückenschmerzen immer häufiger chronisch. (vgl. Childs et al. 2015).
Bildgebende Verfahren und Operationen oft unnötig
Internationale Leitlinien empfehlen bei akuten unspezifischen Rückenschmerzen, nicht verfrüht bildgebende Verfahren anzuwenden. Röntgen, CT oder MRT sind in diesem Zusammenhang zumeist weniger sinnvoll und bringen hohe volkswirtschaftliche Kosten mit sich (vgl. Jarvik et al. 2015). Darüber hinaus kann die frühe Anwendung bildgebender Verfahren den Patienten den Optimismus einer Heilung nehmen und das Vertrauen, selbst etwas bewirken zu können, empfindlich stören. Das begünstigt wiederum die Anwendung weiterer Folgeverfahren wie Operationen und damit auch das Risiko einer immensen Steigerung der Kosten (vgl. Childs et al. 2015). Laut der Techniker Krankenkasse (2015) werden in Deutschland zu häufig unnötige Rückenoperationen durchgeführt. So haben sich 85 Prozent der Rücken-Eingriffe nach einer Zweitmeinung als unnötig herausgestellt.
Frühe Überweisung zum Physiotherapeuten lohnt sich
Die von der Ärzteschaft herausgegebene Nationale Leitlinie Kreuzschmerz empfiehlt zwar derzeit noch bei akuten, unspezifischen Rückenschmerzen, Physiotherapie (Krankengymnastik) zunächst nicht zu verordnen. Eine aktuelle Studie von Childs et al. (2015) widerspricht allerdings dieser These und fordert eine Überprüfung dieser Empfehlung. Childs et al. fanden heraus: Menschen mit akuten, unspezifischen Rückenschmerzen, die spätestens nach 14 Tagen vom Physiotherapeuten behandelt wurden, verursachten im Durchschnitt 60 Prozent weniger Kosten, als Patienten, die erst später zum Therapeuten überwiesen wurden. Demnach mussten Patienten, die früh zum Physiotherapeuten konnten, signifikant seltener operiert, gespritzt oder mit bildgebenden Verfahren untersucht werden. In diesen frühen physiotherapeutischen Behandlungen wurde besonders das Erlernen von aktiven Verhaltensstrategien durch Anleitung und Coaching des Therapeuten in den Mittelpunkt gesetzt, bevor der Patient möglicherweise negative Überzeugungen und Erwartungen hinsichtlich seiner Beschwerden entwickelt.
Der nächste Schritt: Ohne Rezept direkt zum Physiotherapeuten
Daher hat sich inzwischen bei verschiedenen Akteuren im Gesundheitssystem die Auffassung durchgesetzt, dass ein Direktzugang zum Physiotherapeuten, also ohne dass der Patient erst ein Rezept des Arztes einholen müsste, viele Vorteile bringt. Dabei geht es keineswegs darum, dass der Physiotherapeut den Arzt ersetzen sollte. Vielmehr wird die Aufgabenverteilung der Zukunft darauf ausgelegt sein, dass jeder medizinische Beruf seine Kompetenzen dort einsetzt, wo sie für den Patienten am meisten Sinn machen. Das heißt: Erkennt der Physiotherapeut bei einem Patienten, dass er weitere ärztliche Hilfe benötigt, schickt er ihn zum Arzt – und Ärzte überweisen bei entsprechender Indikation frühzeitig zum Physiotherapeuten. Nur sollten Patienten schon direkt den Physiotherapeuten aufsuchen dürfen, um ohne Verzögerung gegen Schmerzen vorgehen zu können. Das eine größere Autonomie für Physiotherapeuten für alle Beteiligten von Vorteil ist, hat der Physiotherapie-Berufsverband IFK bereits in einem Modellvorhaben geprüft, das derzeit noch läuft und vor endgültigem Abschluss schon vielversprechende Ergebnisse in Aussicht stellt. Auch international belegen bereits eine Anzahl von Studien die Vorteile eines Direktzugangs zum Physiotherapeuten (vgl. u.a. Ojha et al. 2014). Laut der Canadain Physiotherapy Association (2013) sind die größten Nutzen des Direktzugangs: Kostenreduzierung für das Gesundheitssystem, gesteigerte Patientenzufriedenheit, reduzierte Krankheitstage und Reduzierung des Chronifizierungsrisikos durch einen frühen Beginn der Physiotherapie.
Fazit
Bei akuten, unspezifischen Rückenschmerzen sind vorschnelle Röntgenuntersuchungen und Operationen häufig weniger zielführend. Vielmehr hat sich gezeigt, dass eine früh einsetzende Physiotherapie den Patienten mehr Motivation und Optimismus vermittelt und anleitet, selbst aktiv an der Heilung teilzuhaben. Aktuelle Untersuchungen haben gezeigt, dass die Behandlung durch den Physiotherapeuten zu signifikant weniger Operationen, Injektionen oder weiteren bildgebenden Verfahren führt. Dies legt zweifelsfrei nahe, dass der Direktzugang zum Physiotherapeuten aus Sicht von Patienten, Kostenträgern und der gesamten Volkswirtschaft ein geeignetes Instrument ist, um schneller mit der Therapie beginnen zu können und somit Schmerzen rascher zu lindern und weitere Kosten zu ersparen. Physiotherapeuten und Ärzte können somit zudem ihre Zusammenarbeit auf Augenhöhe stärken. Das würde den Patienten mehr dienen als ausschweifende Debatten über einen Ärztemangel.