Bericht über unnötige Schulteroperationen
Die Online-Redaktion des Spiegel berichtet in einem Artikel vom 21.11.2017 über die jüngst im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlichen Studienergebnisse der Forschergruppe um Beard et al. Der Artikel zeigt auf, dass immer noch zu häufig operiert wird und stattdessen deutlich mehr auf Physiotherapie gesetzt werden sollte.
Zum Spiegel Online-Artikel geht es hier.Zur Studie im Einzelnen: Aufgrund anhaltend steigender Fallzahlen und hiermit verbundenen hohen Kosten sind die englischen Forscher der Frage nachgegangen, über welche Effektivität und Effizienz das OP-Verfahren der subakromialen Dekompression verfügt.
Das Verfahren wird angewendet, um bei bestehender Einengung im Schulterdach, welche durch bildgebende Verfahren nachgewiesen wird, den vermuteter Maßen auf Muskel, Sehnen und Schleimbeutel wirkenden Druck zu mindern. Hierzu wird vor allem vom Akromion Knochenmasse chirurgisch abgetragen. Anhand von bisherigen Untersuchungsergebnissen konnte eine reine Placebo-Wirkung durch den Eingriff jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Die britischen Forscher legten die beschriebene Untersuchung daher als sogenannte Äquivalenzstudie in einem multizentrischen (32 britische Krankenhäuser, 51 Operateure) Parallelgruppen-Design an. In den Jahren 2014 und 2015 wurden hierzu insgesamt n=313 Probanden mit seit mindestens drei Monaten bestehenden subakromialen Schulterschmerzen randomisiert einer von insgesamt drei Untersuchungsgruppen zugeteilt. Bei n=106 Teilnehmern wurde nachfolgend eine subakromiale Dekompression durchgeführt (Interventionsgruppe), bei n=103 Teilnehmern eine Arthroskopie ohne Abtragung von Knochenmasse (Placebo-Gruppe) und bei n=104 Teilnehmern keine Intervention, außer einer ärztlichen Verlaufskontrolle (Nicht-Interventionsgruppe).
Die Hypothesen der Studie postulieren, dass jeweils keine Unterschiede im Outcome zwischen den paarweise verglichenen Gruppen bestehen. Als wesentliches Messinstrument wurde hierzu der Oxford Shoulder Score (OSS) verwendet, der zwölf alltagsrelevante Schulterfunktionen und –zustände erfasst und der zu Studienbeginn, sechs Monate nach der jeweiligen Intervention und zwölf Monate hiernach abgefragt wurde. Ausgehend von bisherigen Ergebnissen zum OSS, wurde eine Veränderung um mehr als 4,5 Punkte (Hälfte der Standardabweichung der mittleren OSS-Veränderung) als klinisch relevant festgelegt.
Insgesamt betrachtet verbesserten sich in allen Gruppen die OSS-Werte und somit die Schulterbeschwerden im Untersuchungsverlauf. Die Verbesserung fiel in den beiden Interventionsgruppen zwar höher aus als in der Nicht-Interventionsgruppe, jedoch waren die entsprechenden Unterschiede klinisch nicht relevant (<4,5). Die etwas besseren Ergebnisse bei erfolgter Intervention führen die Forscher u.a. auf einen generellen Placebo-Effekt bei Durchführung von Operationen zurück. Des Weiteren erhielten die Interventionsgruppen im Anschluss eine physiotherapeutische Nachbehandlung, was sich ebenfalls positiv ausgewirkt haben könnte. Da die Ergebnisse zur Interventionsgruppe mit denen der Placebo-Gruppe vergleichbar sind, sollteder angenommene Mechanismus und Nutzen der subakromialen Dekompression erneut diskutiert und bewertet werden.
Zukünftige Forschungsarbeiten sollten überdies geeignete Alternativen zur Operation – wie z.B. Physiotherapie – entsprechend evaluieren. Die Stärkung konservativer Behandlungsansätze würde sowohl Schulterschmerz-Patienten nutzen als auch Kosten in der Gesundheitsversorgung einsparen.
Die Forschungsergebnisse von Beard et al. sind im Open-Access hier abrufbar.