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Teil 1: Preisgekrönte Forschungsarbeiten

Mit dem Ziel, die wissenschaftliche Arbeit in der Physiotherapie und eine Akademisierung des Berufsstandes zu unterstützen, kürt der IFK seit 2005 jedes Jahr in feierlichem Rahmen die besten Abschlussarbeiten aus Studiengängen der Physiotherapie. Beim diesjährigen 12. Tag der Wissenschaft erhielten vier Bachelor-Absolventen einen der begehrten IFK-Wissenschaftspreise.

Die Forschungsergebnisse der Preisträgerinnen und Preisträgern geben interessante Antworten auf aktuelle physiotherapeutische Fragestellungen. Diese möchten wir Ihnen natürlich nicht vorenthalten und stellen die einzelnen Abstracts der preisgekrönten wissenschaftlichen Arbeiten noch einmal vor.

Die ersten Preisträger der Serie sind Jana Pätzholz und Marc Kwidzinski (HS Osnabrück), die mit ihrer gemeinsamen Bachelorarbeit zum Thema „Der Einfluss von Kauen auf die kraniozervikale Region bei Temporomandibulären Dysfunktionen und einer Kontrollgruppe – Eine Querschnittstudie“ den 1. Preis in der Kategorie „Klinische Forschung“ erhielten:

Zielsetzung: Es besteht eine enge biomechanische und neuroanatomische Verbindung der temporomandibulären und der zervikalen Region. Bei Probanden mit temporomandibulären Dysfunktionen (TMD) lassen sich häufig auch klinische Zeichen in der Halswirbelsäule (HWS) feststellen. Zudem leiden Probanden mit TMD oftmals unter einer verringerten Kaufähigkeit und unter erhöhten Schmerzen nach dem Kauen. Ziel dieser Arbeit war es zu beobachten, welchen Einfluss Kauen auf die kraniozervikale Region bei Probanden mit TMD und einer Kontrollgruppe hat. Um ein möglichst umfangreiches Bild dessen zu erhalten, wurde die kraniozervikale Region anhand verschiedener klinischer Tests untersucht.

Methode: Im Rahmen einer Querschnittstudie wurden 60 Probanden anhand eines Fragebogens zur Ermittlung Temporomandibulärer Dysfunktionen (in Anlehnung an Conti et al. 2003) in eine TMD-Gruppe (n=25) und eine Kontrollgruppe (n=35) eingeteilt. Mit einem allgemeinen Anamnesebogen, dem Neck Disability Index (NDI) und dem Graded Chronic Pain Status (GCPS) wurden die Ein- und Ausschlusskriterien überprüft. Bei allen Probanden wurde zunächst eine Funktionsuntersuchung der kraniozervikalen Region durchgeführt. Diese beinhaltete die Messung der Kieferbeweglichkeit, der hochzervikalen Rotation mit dem Flexions-Rotationstest (FRT), der Ausdauer und Koordination der tiefen Nackenflexoren mit dem kraniozervikalen Flexionstest (CCFT) und der Mechanosensitivität der Kau- und Nackenmuskulatur (M. masseter, M. temporalis, M. obliquus capitis inferior, M. rectus capitis posterior minor, M. trapezius) mittels Algometer. Nach Abschluss dieser wurde ein zehnminütiger Kautest durchgeführt, bei dem der Schmerz der Probanden aufgezeichnet wurde. Anschließend wurde die Funktionsuntersuchung wiederholt. Schmerzen während der Untersuchungen wurden anhand der Colored Analog Scale (CAS) beurteilt.

Ergebnisse: Beim Vergleich der Prä- und Posttests fanden sich innerhalb der TMD-Gruppe signifikante Veränderungen bei der Kieferöffnung (p=0,003), bei der Rotation der Halswirbelsäule (HWS) nach rechts (p=0,045) und nach links (p=0,032) und bei den Schmerzen bei der Rotation der HWS nach links (p=0,024). Des Weiteren fanden sich signifikante Ergebnisse bei der Mechanosensitivität in der TMD-Gruppe beim M. masseter links (M1: p=0,001; M2: p=0,005), beim M. temporalis links (T1: p=0,002) sowie beim M. trapezius pars descendens links (p=0,005). Auch innerhalb der Kontrollgruppe war die Veränderung der Rotation der HWS nach rechts (p=0,004) und links (p=0,001) signifikant. Bei der Mechanosensitivität zeigte in der Kontrollgruppe ebenfalls der M. masseter links signifikante Veränderungen (M1: p=0,028; M2: p=0,002).
Der Vergleich der Differenzen (Prätest – Posttest) zwischen den Gruppen, bei den einzelnen Variablen, zeigte nur bei dem Schmerz der Rotation der HWS nach links eine signifikante Differenz (p=0,013).
Eine grenzwertig signifikante Veränderung zwischen Gruppen liegt noch bei der Kieferöffnung vor (p=0,059). Die Kieferöffnung hat sich im Durchschnitt um 2,12 mm verschlechtert, in der Kontrollgruppe nur um 0,63 mm. Der Vergleich der Schmerzen während des Kautests zwischen den Gruppen erwies sich als hochsignifikant (p=0,000). Die TMD-Gruppe gab hier von Beginn an höhere Werte auf der CAS an, stieg aber auch im Verlauf stärker an.

Schlussfolgerung: Es lässt sich nicht bestätigen, dass Kauen einen signifikanten Einfluss auf die kraniozervikale Region hat. Zwar ergaben sich vereinzelt signifikante Werte, die auf einen Einfluss hinweisen, diese werden jedoch aufgrund limitierender Faktoren, wie der geringen Größe der Stichprobe, als nicht ausreichend angesehen, um eine klare Aussage treffen zu können. Auch im Vergleich der Gruppen untereinander lässt sich nicht bestätigen, dass Kauen einen größeren Einfluss auf die kraniozervikale Region der TMD-Gruppe als auf die der Kontrollgruppe hat. Eine Ausnahme stellt der Kautest dar, so sind diese Werte hochsignifikant und zeigen, dass Kauen zu verstärkten Schmerzen in der TMD-Gruppe führt, wohingegen sich der Schmerz der Kontrollgruppe kaum verändert. Der Einfluss von Kauen auf die kraniozervikale Region sollte in weiteren Studien mit größeren Stichproben und eventuell einer zusätzlichen Kontrollgruppe untersucht werden.

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