Warum die Blankoverordnung keine Durchgangsstation auf dem Weg zum Direktzugang ist

Die Diskussionen um die Blankoverordnung und den Direktzugang sind erneut in aller Munde. Während über die Einführung der Blankoverordnung bereits zwischen dem GKV-Spitzenverband und den maßgeblichen Physiotherapieverbänden verhandelt wird, hat es der Direktzugang in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung geschafft: „Wir bringen ein Modellprojekt zum Direktzugang für therapeutische Berufe auf den Weg“ heißt es dort wörtlich. Dass beide Themen gerade in der (politischen) Diskussion an Fahrt aufnehmen, darf jedoch nicht suggerieren, dass sie sich gleichen. Denn es handelt sich bei der Blankoverordnung und dem Direktzugang um zwei völlig unterschiedliche Versorgungskonzepte.   

Oftmals wird die Blankoverordnung jedoch als Vorstufe des Direktzugangs bezeichnet. Der IFK hält diesen Schluss für falsch. Warum? Auf den ersten Blick tragen beide Modelle den Vorstellungen der Branche nach einer stärkeren beruflichen Autonomie in der Physiotherapie Rechnung. In beiden Modellen hat der Physiotherapeut die Freiheit, über das Heilmittel sowie die Frequenz, Dauer und Anzahl der Behandlungen selbst zu entscheiden. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die Blankoverordnung eine tiefgreifende Veränderung im System nur vortäuscht, denn die Abhängigkeit der Physiotherapie von der Verordnung des Arztes wird hier nur fortgesetzt, indem der Patient weiterhin zuerst den Arzt aufsuchen muss. Dieser kann dann für bestimmte Diagnosen eine Blankoverordnung ausstellen.

Beim Direktzugang hingegen läge die volle Autonomie beim Physiotherapeuten. Die Versorgung wird in diesem Konzept konsequent vom Patienten aus gedacht. Denn beim Direktzugang hat der Patienten ein Wahlrecht, frei zu entscheiden, ob er sich z. B. bei Störungen des Bewegungsapparats zunächst an einen Arzt wendet und danach mit einer Verordnung einen Physiotherapeuten aufsucht oder sich gleich in physiotherapeutische Behandlung begeben möchte und ohne „Umweg“ über den Arzt eine schnelle Versorgung erhält. Dass dieses Vorgehen die Gesundheitskosten nicht nur nicht steigen lässt, sondern sogar senken kann, belegen internationale Studien. Auch eine Verkürzung der Therapiezeiten und eine Verbesserung der Versorgung in der Fläche konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden.   

Der Direktzugang ist also weder eine Weiterentwicklung der Blankoverordnung, noch ersetzt er sie. Im Falle einer Einführung müssten beide Modelle nebeneinander bestehen. Schon jetzt steht fest, dass der Direktzugang nur ein kleiner, aber wichtiger Baustein in der Versorgung in Deutschland sein kann. Er ist keinesfalls für alle Diagnosen oder Patienten geeignet. Vielmehr würde vom Direktzugang nur eine begrenzte Gruppe der Patienten profitieren. Dies wären vorrangig junge Patienten oder solche, bei denen keine bildgebenden Verfahren erforderlich sind. Auch bei Symptomen wie dem unspezifischen Rücken- und Nackenschmerz käme der Direktzugang infrage. Multimorbide Patienten z. B. bleiben weiterhin Fälle für eine Diagnose durch einen Arzt. Der Direktzugang würde jedoch einem nicht unerheblichen Teil der Patienten den Weg zum Arzt ersparen, schnelle Versorgung durch einen Physiotherapeuten ermöglichen und in der Folge auch die Wartezimmer der Fachärzte entlasten.

Beide Versorgungsformen unter die Lupe zu nehmen und in Modellen zu erproben ist ein guter und wichtiger Schritt. Eins nach dem anderen einzuführen, jedoch nicht. Denn beide Konzepte stehen für sich und Erfolge oder Misserfolge des einen lassen nicht auf (mögliche) Ergebnisse des anderen schließen.

Eine umfangreichere Betrachtung des Themas Direktzugang und wie sich der IFK dafür einsetzt, lesen Sie in Ausgabe 5-22 der Zeitschrift „physiotherapie“.

 

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