Verhandlungen ergebnislos abgebrochen – wie geht es jetzt weiter?

Die Verhandlungen zwischen den maßgeblichen Verbänden IFK, PHYSIO-DEUTSCHLAND, VDB-Physiotherapieverband und Verband Physikalische Therapie (VPT) sowie dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) endeten am 25. März 2021 erneut ohne Einigung. Wie geht es nun weiter? Nachfolgend werden die drängendsten Fragen rund um den neuen Bundesrahmenvertrag, die Vertragsverhandlungen, das Schiedsverfahren und mögliche weitere Schritte behandelt.

Wieso sind die Verhandlungen erneut gescheitert? Woran lag’s?

 

Die Verbände und der GKV-SV haben sich zwar darauf geeinigt, in der neuen Leistungsbeschreibung den zeitlichen Aufwand für die Behandlung abzubilden. Den Verbänden war dabei besonders wichtig, den Aufwand für die Vor- und Nachbereitung und die Dokumentation realistisch abzubilden, dem GKV-Spitzenverband waren Mindesttherapiezeiten wichtig. Im Anschluss an die Verhandlungen zur Leistungsbeschreibung hat sich der GKV-SV dann aber geweigert, die Preise entsprechend der neuen Leistungsbeschreibung anzupassen. Am Ende hätten Physiotherapeuten pro vertraglich vereinbarter Minute physiotherapeutischer Leistung jedoch weniger Geld bekommen als aktuell. Das konnten die Verbände natürlich nicht akzeptieren.

 

 

Was hat der GKV-Spitzenverband konkret angeboten?

 

 

Um das zu erklären, muss etwas ausgeholt werden: Die Preisberechnung setzt sich aus zwei Faktoren zusammen: 1) der Vergütung pro Minute physiotherapeutischer Leistung und 2) der zeitliche Aufwand, der für die Leistung in der Leistungsbeschreibung festgelegt wurde. Im aktuell noch gültigen Vertrag sind das beispielsweise für die Position Krankengymnastik (die aktuell mit 21,11 Euro vergütet wird) 15 bis 25 Minuten. Das entspricht aktuell einem durchschnittlichen Minutenpreis von 1,06 Euro (21,11 Euro geteilt durch durchschnittlich 20 Minuten).

 

 

Während der Verhandlungen zum Bundesrahmenvertrag hatten sich die Verbände und der GKV-SV darauf geeinigt, dass die Zeiten in der Leistungsbeschreibung dem tatsächlichen Aufwand entsprechend angepasst werden. Das entspricht der Vorgabe des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG): Künftig soll der Zeitaufwand für die Therapiezeit und für die Vor- und Nachbereitung in der Leistungsbeschreibung ausgewiesen werden.

 

 

Verbände und GKV-SV hatten in der neuen Leistungsbeschreibung festgesetzt, dass eine Einheit Krankengymnastik künftig aus 20 Minuten Therapiezeit (+/- zehn Prozent Abweichung aus therapeutischen Gründen) und zusätzlich fünf bis zehn Minuten (im Durchschnitt 7,5 Minuten) für die Vor-, Nachbereitung und Dokumentation bestehen sollte. Der vertraglich vereinbarte durchschnittliche zeitliche Aufwand wäre damit von aktuell 20 Minuten auf 27,5 Minuten angestiegen (+38 Prozent).

 

 

Während der Verhandlung am 25. März 2021 hat der GKV-Spitzenverband angeboten, die Vergütung für eine Einheit Krankengymnastik mit 0,93 Euro pro Minute zu vergüten (27,5 Minuten x 0,93 Euro = 25,58 Euro = + 21,17 Prozent), obwohl der zeitliche Aufwand gleichzeitig um 38 Prozent steigen sollte. Das hätte folglich zu einer Absenkung des Minutenpreises geführt, was für die Verbände inakzeptabel war – vor allem auch deshalb, weil die Krankenkassen gefordert haben, dass die Vergütung damit abschließend als „angemessen“ gilt. Anstelle der angebotenen 0,93 Euro pro Leistungsminute wären mindestens 1,06 Euro pro Minute notwendig gewesen, um den Minutenpreis stabil zu halten. Um deutlich höhere Mitarbeitervergütungen zahlen zu können wäre, jedoch ein Minutenpreis von 1,20 Euro und höher erforderlich gewesen.

 

 

  • Aktuell:
    20 Minuten Krankengymnastik à 21,11 Euro (1,06 Euro pro Minute)
  • Angebot GKV-SV:
    27,5 Minuten Krankengymnastik à 25,58 Euro (0,93 Euro pro Minute)
  • Kompromissvorschlag Verbände:
    27,5 Minuten Krankengymnastik à 33,00 Euro (1,20 pro Minute)

 

 

Welche Regelungen gelten nun ab dem 1. April 2021?

 

 

Die Schiedsstelle hat mit dem Schiedsspruch vom 27. Januar 2021 festgesetzt, dass der Bundesrahmenvertrag mit den von der Schiedsstelle geschiedsten – zuvor strittigen – Vertragsregelungen am 1. April 2021 in Kraft tritt. Mit Ausnahme der Anlagen Vergütung und Leistungsbeschreibung gibt es einen Vertrag. Dieser beinhaltet unter anderem neue Regelungen zur Zulassung, zur Fort- und Weiterbildung sowie zu erforderlichen Angaben auf der Verordnung und zu Änderungsmöglichkeiten. Die Verbände teilen die Entscheidung der Schiedsstelle, dass die konsentierten und geschiedsten Bestandteile zum 1. April 2021 in Kraft treten. Der GKV-Spitzenverband hingegen vertritt die Auffassung, dass der Rahmenvertrag nur in Verbindung mit einer neuen Leistungsbeschreibung und Vergütungsvereinbarung in Kraft tritt.

 

 

Zudem hat die Schiedsstelle mit ihrem Schiedsspruch festgesetzt, dass die Preise zum 1. April 2021 um 1,51 Prozent steigen werden. Diese Preissteigerung soll die Kostenentwicklung im Zeitraum 1. Juli 2019 bis 31. März 2021 abbilden. Zusätzlich sollten sich die Verbände und der GKV-SV in den jetzt gescheiterten Verhandlungen auf eine weitere Erhöhung der Vergütung unter Berücksichtigung der von der Schiedsstelle festgelegten Parameter verständigen. Dazu ist es leider nicht gekommen.

 

 

Wann werden die neuen Regelungen des Bundesrahmenvertrags veröffentlicht?

 

 

Der GKV-SV hat den Verbänden jüngst eine redaktionell angepasste Fassung des neuen Bundesrahmenvertrags zugestellt. Die Verbände haben diese bereits bearbeitet und dem GKV-SV zurückgesandt. Sobald hier eine finale Fassung vorliegt, wird diese veröffentlicht.

 

 

Und wie geht es nun in puncto Vergütung weiter? Werden die Verbände rechtliche Schritte einlegen?

 

 

Das ist noch nicht final geklärt. Alle vier maßgeblichen Verbände sind als Vereine organisiert. Die Vorstände können entsprechend weitreichende Entscheidungen nicht alleine treffen. Es bedarf der Zustimmung der zuständigen Vereinsgremien. So ist sichergestellt, dass der Vorstand im Sinne seiner Mitglieder handelt. Diese Abstimmungen laufen derzeit in den vier maßgeblichen Verbänden.

 

 

Parallel dazu wird rechtlich vorbereitend geprüft, welche Teile des Schiedsspruch beklagt werden. So ist es zum Beispiel möglich, den gesamten Schiedsspruch oder auch nur einzelne Komponenten zu beklagen. Die Verbände könnten also zum Beispiel dagegen klagen, dass einzelne Parameter durch die Schiedsstelle nicht ordnungsgemäß festgelegt wurden. Die Verbände loten gerade verschiedene Möglichkeiten aus und bewerten jeweils die Folgen für die weiteren Schritte und Erfolgsaussichten. Sofern sich die Gremien für eine Klage entscheiden, muss diese spätestens am 8. April 2021 eingereicht werden.

 

 

Gleichzeitig wird die Eröffnung eines neuen Schiedsverfahrens geprüft.

 

 

Ist die Politik informiert?

 

 

Ja, die Verbände stehen im kontinuierlichen Austausch mit den politischen Vertretern. Öffentlich fand beispielsweise der WebTalk mit Dr. Roy Kühne (CDU) statt. Doch auch im Hintergrund laufen diverse Gespräche. Die Verbände stellen sicher, dass die Politik aus erster Hand informiert ist. Das Thema steht bei den Gesundheitspolitikern auf der Agenda.

 

 

Hintergrund: Was wollen die Verbände überhaupt erreichen?

 

 

Den Verbänden geht es darum, die Bedingungen für Physiotherapie grundsätzlich zu verbessern. Dafür muss nicht nur die Vergütung erhöht werden. Therapeuten müssen unter anderem auch mehr Zeit und Flexibilität bekommen, um ihre Patienten gut behandeln zu können. Denn das Wohl der Patienten steht im Mittelpunkt.

 

 

Die Bundesregierung hat diesen Bedarf erkannt und im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) festgelegt, dass die Verhandlungspartner bundesweite Preise aushandeln sollen, die eine „leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung“ ermöglichen. Um festzustellen, welche Vergütung diese „leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung“ ermöglichen kann, haben die Verbände das unabhängige Institut für Gesundheitsökonomik (IfG) beauftragt, eine Wirtschaftlichkeitsanalyse ambulanter Therapiepraxen (WAT-Gutachten) durchzuführen. Mit den daraus abgeleiteten Forderungen sind die Verbände in die Verhandlungen eingestiegen.

 

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