Symposium „Motorik und Lernen – Kinder im Schulalter“
Über 70 Physio- und Ergotherapeuten kamen beim Symposium „Motorik und Lernen – Kinder im Schulalter“ im IFK-Fortbildungszentrum in Bochum zusammen. Nach dem Symposium über die motorische Entwicklung von Kleinkindern im letzten Jahr hat der IFK gemeinsam mit dem Deutschen Verband Ergotherapie (DVE) und Dr. Heiner Biedermann (european workgroup for manual medicine/ewmm) nun die Nachfolgerveranstaltung mit Fokus auf Schulkindern ausgerichtet. In einem prall gefüllten Programm kamen Experten im Bereich der kindlichen Motorik aus unterschiedlichen Professionen zu Wort und diskutierten mit den Teilnehmenden über die verschiedenen Ansätze.
Brigitte Heine-Goldammer, stellvertretende Vorsitzende des IFK, begrüßte die Referenten sowie die Teilnehmenden und stimmte alle auf einen interessanten Tag ein. „Ihr zahlreiches Erscheinen zeigt uns, dass wir mit diesem Thema erneut einen Nerv getroffen haben. Daher bin ich gespannt auf das umfangreiches Vortragsportfolio, das wir heute hören werden“ sagte sie. Auch Andreas Hörstgen, Geschäftsführer des DVE, und Dr. Biedermann hießen die Anwesenden herzlich willkommen.
Im ersten Vortrag des Tages sprach die Kinderärztin Editha Halfmann über die Probleme von Schulkindern aus der kinderärztlichen Sicht. Häufig würden Eltern beruhigt, dass sich Beschwerden von Kindern „zurechtwachsen“. „Dieses ‚Zurechtwachsen‘ bedeutet, dass die Kinder größere Anstrengungen aufbringen müssten, um Defizite zu kompensieren“, betonte Halfmann. Sie nahm in ihrem Vortrag auch Bezug auf die Schwangerschafts-, Geburts- und Familienanamnese, durch die Kinderärzte wichtige Informationen für die Diagnostik und Behandlung ihrer kleinen Patienten erhalten könnten.
Physiotherapeutin Sabine Michaelis, die im IFK auch als Regionalausschussvorsitzende in Neuss aktiv ist, war als zweite Referentin an der Reihe. Auch sie sprach das Problem an, das schon Halfmann in ihrem Vortrag annoncierte: „Wir hören nahezu täglich: Warten Sie ab, das wächst sich raus“, so die Kinderphysiotherapeutin. Ihren Vortrag bebilderte die Neusserin mit Fotos einiger ihrer jungen Patienten aus, anhand derer sie diverse Einschränkungen, wie Skoliose, aufzeigte. Besonders der Vergleich der Bilder vor und nach der Behandlung sorgte bei den Anwesenden für Aufmerksamkeit.
„Wie wirken sich Schulprobleme auf die eigenen Ressourcen aus?“, fragte die Diplom-Sportlehrerin Sandra Seckler nach der ersten Kaffeepause. Ihr sei es ein besonderes Anliegen, Spaß an Bewegung zu vermitteln, sagte Seckler. Schulprobleme seien oft bedingt durch den immer größeren psychischen Leistungsdruck, erklärte Seckler. Daher sei auch eine ganzheitliche Betrachtung von Symptomen, wie beispielsweise Rückenschmerzen wichtig. Als wesentliche Fähigkeit, um aus den eigenen Ressourcen schöpfen zu können, empfiehlt sie Stressbewältigungskompetenz.
Unter dem Titel „Das reglementierte Kindsein – und das Sprengen dieses Rahmens“ sprach die Motopädin Gudrun Kespers über die individuelle Entwicklung von Kindern. In ihrer Behandlung legt Kespers den Schwerpunkt auf Kinder mit Entwicklungsverzögerungen und daraus resultierenden Verhaltensstörungen. Wenn Kinder in einem bestimmten Alter eine gewisse Fähigkeit noch nicht erlernt hätten, wäre die allgemeine Empfehlung „da müsse was gemacht werden“. So nehme man den Kindern die Chance, sich in ihrem eigenen Tempo zu entwickeln, so Kespers.
Nach der Mittagspause, die von den Anwesenden nicht nur zur Stärkung, sondern auch zum angeregten Austausch untereinander genutzt wurde, hielt die Orthopädin und Manualmedizinerin Dr. Bettina Küsgen ihren Vortrag über die funktionelle Therapie im Schulalter. Es sei ihr wichtig, genau zu schauen, welche Symptome man erfassen könne und welche vielleicht auch gar nichts mit der eigentlichen Beschwerde zu tun haben. Die Medizinerin, die die Praxis von Dr. Biedermann übernommen hatte, betonte dabei: „Interdisziplinarität ist von ganz großer Bedeutung, um Kindern helfen zu können!“
Ebenfalls aus manualmedizinischer Sicht referierte Dr. Micha Bahr. Der Kinder- und Jugendchirurg und Manualmediziner erläuterte, dass die Manualmedizin häufig wenig Akzeptanz bei Kinderärzten habe. Das sei allerdings ein Problem, da es einige Diagnosen bei Babys und Kleinkindern gebe, die sich auf die spätere Entwicklung auswirken. „Wenn Kinder Glück haben und bei einem Physiotherapeuten landen, der die Problematiken kennt und erkennt, können sie rechtzeitig behandelt werden und Folgeschäden bleiben aus“, so Dr. Bahr.
Über die Restreaktionen frühkindlicher Reflexe sprach der neuropsychologische Entwicklungsförderer nach INPP, Christian Peters, in seinem Vortrag „Tollpatsch, Träumer, Trotzkopf“. Diese frühkindlichen Reflexe bestehen in der Regel nur für eine bestimmte Zeit und können durch höherrangige Hirnleistungen kompensiert werden – Kinder lernen also aktiv gegen diese Reflexe zu arbeiten. Es gebe allerdings viele mögliche Irritationsfaktoren, die dafür sorgen, dass die Reflexe auch im Kindesalter weiter vorhanden sind, so Peters.
Den letzten Vortragsblock des Tages füllte Dr. Heiner Biedermann. „Warum brauchen wir überhaupt Sensorik?“, fragte er und beantwortete dies gleich: „Um auf unsere Umwelt zu reagieren. Motorik ist die Basis jeglicher Sensorik.“ Er verwies auch auf die Unterschiede in der Behandlung durch Physiotherapie, manualtherapeutische und manualmedizinische Ansätze. Eins haben allerdings alle gemeinsam, so Biedermann: „Bewegung ist die Basis der Reizaufnahme und -verarbeitung.“
„Ich denke, wir haben heute alle eine Menge gelernt und viel Stoff zum Nachdenken mit auf den Weg bekommen“, schloss Brigitte Heine-Goldammer die Veranstaltung
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