Schlechte wirtschaftliche Lage gefährdet physiotherapeutische Versorgung

Die IFK-Wirtschaftlichkeitsumfrage liefert seit mittlerweile über 20 Jahren regelmäßige Informationen über die wirtschaftliche Situation in den Physiotherapie-Praxen. Auch die aktuelle Umfrage 2016, die auf den Wirtschaftsdaten aus dem Jahr 2014 beruht, bietet wieder einige interessante Zahlen, die die schwierige Situation in der Branche unterstreichen. Die wesentlichen Erkenntnisse der Umfrage, über die in der vergangenen Woche auch bereits der im Gesundheitssektor sehr renommierte Dienst für Gesellschaftspolitik (dfg) berichtet hatte, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Die ländliche Versorgung ist akut gefährdet, weil dort vornehmlich kleinere Praxen zu finden sind, die sich betriebswirtschaftlich kaum noch aufrechterhalten lassen.
Für Praxen mit bis zu 5 Therapeuten (Mitarbeiter zzgl. Inhaber) fallen Umsatz (165.607 €) und Brutto-Gewinn (58.905 €) sehr gering aus und rechtfertigen kaum das unternehmerische Risiko der Selbstständigkeit. Noch deutlicher wird dies in Praxen mit bis zu 3 therapeutischen Mitarbeitern, die einen Umsatz von 112.032 € und einen Brutto-Gewinn von 44.561 € erzielen. Dies sind rund 3 % weniger als der durchschnittliche Bruttoverdienst eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers in Deutschland beträgt. Zieht man vom Bruttogewinn des alleinstehenden Inhabers einer Kleinpraxis noch Steuern und Sozialabgaben ab, so verbleibt netto ein durchschnittlicher Monatsgewinn von nur rund 2.140 €. Zum Vergleich: Ein leitender Physiotherapeut im Krankenhaus kann laut TVöD sogar bis zu 52.335 € brutto im Jahr verdienen, und damit 17 % mehr als der selbstständige Inhaber einer Kleinpraxis, der zudem noch das Unternehmerrisiko zu tragen hat.

2. Praxisinhaber sind durch die schlechte wirtschaftliche Lage und die zunehmende Bürokratisierung gezwungen, immer mehr zu arbeiten.
Die wöchentliche Arbeitszeit des Inhabers ist um durchschnittlich 2,25 Stunden pro Woche angestiegen und liegt mittlerweile bei 45,38 Stunden pro Woche. Dabei ist die geleistete therapeutische Arbeit relativ konstant geblieben, während die Arbeitszeit für Verwaltungstätigkeiten um rund 19 % gestiegen ist. Neben dem erhöhten Verwaltungsaufwand bei der Arbeit des Praxisinhabers zeigt sich der Trend zu noch mehr Bürokratie auch an der Zahl der Büro-/Rezeptionsfachkräfte, die gegenüber der vorigen Umfrage noch einmal deutlich gestiegen ist. Insgesamt haben 78,7 % aller Praxen mindestens einen Mitarbeiter im Büro bzw. an der Rezeption beschäftigt. 2012 hatte der Wert noch bei 65,2 % gelegen. Von 2007 bis 2014 hat sich der Anteil sogar mehr als verdreifacht.

3. Die Praxisinhaber leiten ihre gestiegenen Umsätze an die Mitarbeiter weiter.
Der Gesamtumsatz einer durchschnittlichen Physiotherapiepraxis stieg zwischen 2012 bis 2014 um 21,4 %. Die Praxisausgaben haben sich im gleichen Zeitraum aber sogar um 24 % erhöht. Besonders fällt dabei der Anteil der Personalkosten (+ 27 %) ins Gewicht. Der Anteil der Personalkosten am Gesamtumsatz ist auf inzwischen rund 49 % angestiegen. Zum Vergleich: Noch 2007 hatte der Wert 41,61 % betragen. Dies erklärt sich zum einen damit, dass der Personalbedarf in der Physiotherapie deutlich gestiegen ist – die Zahl der therapeutischen Mitarbeiter stieg um rund 15,8 %. Es spricht aber zusätzlich dafür, dass die Praxisinhaber ihre Mehreinnahmen in großem Maße an ihr Personal weitergegeben haben und somit auch die angestellten Therapeuten von Vergütungserhöhungen indirekt profitieren.

4. Die Mitglieder des IFK bestätigten, dass unsere Forderung nach dem Direktzugang richtig ist.
73,9 % der Praxen streben an, zukünftig im Direct Access zu praktizieren. 77,8 % fühlen sich jetzt schon befähigt, den Direktzugang ausüben zu können. Bedenklich stimmt in diesem Zusammenhang die Entwicklung bei den (sektoralen) Heilpraktikern, für die bereits 42,5 % eine Anerkennung erhalten haben (gegenüber nur 26,4 % im Jahr 2012). 20,45 % streben zudem eine Anerkennung an, so dass in absehbarer Zukunft über 60 % der Physiotherapiepraxen auch als (sektorale) Heilpraktiker agieren. Aus Sicht des IFK sollten Physiotherapeuten aber nicht diesen Umweg gehen müssen, um eigenverantwortlich im Direktzugang arbeiten zu dürfen.

5. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage hat das Patientenwohl für die Physiotherapeuten oberste Priorität.
Die Behandlungszeiten in den wesentlichen Therapien liegen weiterhin im oberen Zeitfenster der in den Rahmenverträgen festgelegten Zeitkorridore. So wird z. B. die KG-Einzel (Regelbehandlungszeit: 15-25 Minuten) durchschnittlich 24,17 Minuten lang behandelt.

Ein ausführlicher Artikel über die Ergebnisse der IFK-Wirtschaftlichkeitsumfrage 2017 wird in der März-Ausgabe der IFK-Verbandszeitschrift „physiotherapie“ erscheinen.

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