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IFK-Jubiläumssymposium: Politik signalisiert Rückenwind für Direktzugang

Um die gesamte Gesundheitsversorgung fit für die Zukunft zu machen, muss aufgeräumt, umstrukturiert und an manchen Stellen entstaubt werden – das ist das Ergebnis der Podiumsdiskussion über die Zukunft der Physiotherapie während des IFK-Jubiläumssymposiums.

 

 

„Die Aufmerksamkeit für unsere Probleme ist bereits gestiegen“, stellte Ute Repschläger, IFK-Vorstandsvorsitzende, dankend fest. In der letzten Legislaturperiode sei bereits einiges für die Physiotherapeuten getan worden. Aktuell sei es mehr der Kampf mit den gesetzlichen Krankenkassen, von denen sich der IFK mehr Anerkennung wünsche. Seit gut eineinhalb Jahren seien die Verbände in Vergütungsverhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen, inklusive Schieds- und Klageverfahren. Hier gehe es nicht nur um die Vergütung, sondern auch um die Rahmenbedingungen. Ein gutes Gesamtpaket sei notwendig, um den Beruf für junge Menschen attraktiv zu halten.

 

 

Dass die Verhandlungen nur sehr stockend vorankommen, ist auch in der Politik angekommen. „Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen“, erläuterte Dr. Georg Kippels MdB, CDU, Mitglied des Bundestagsgesundheitsausschusses. „Aber – das will ich gar nicht verschweigen – die Politik ist teilweise mit der Verhaltensweise und auch mit der Umsetzung von gesetzlichen Regeln durch die Krankenkassen unzufrieden.“ Er wolle keine Drohszenarien aufbauen. Aber: „Wenn die konstruktive Mitwirkung ausbleibt, müssen wir vielleicht doch etwas entschlossener vorgehen“, signalisierte er deutlich, dass er den Verlauf der Verhandlungen gut im Blick behält.

 

 

Dringenden Handlungsbedarf sah auch Bettina Müller MdB, SPD, ebenfalls Mitglied des Bundestagsgesundheitsausschusses. Sie nannte die Vergütungssituation von Physiotherapeuten in Deutschland „nach wie vor erbärmlich“. Eine angestellte Physiotherapeutin in Nordrhein-Westfalen verdiene im Schnitt 2.437 Euro brutto. Das seien sogar noch 300 Euro weniger als vergleichbare männliche Therapeuten bekommen. „Davon kann man nicht leben und nicht sterben“, pointierte sie. Und auch für Selbstständige sei die Situation sehr mühsam. Schwierige Rahmenbedingungen, unglaublich viel zu tun, Praxisstrukturen vorhalten, Gehälter zahlen - nannte sie einige der täglichen Herausforderungen für selbstständige Physiotherapeuten.

 

 

Prof. Dr. Annette Probst, HAWK – Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, sah in der geringeren Vergütung von Frauen auch einen Hinweis auf ein strukturelles Problem. Während der Pandemie habe sich wie unter einem Brennglas gezeigt, dass vor allem die systemrelevanten Berufe im Gesundheitswesen, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind, benachteiligt sind. Dabei gehe es nicht ausschließlich um die Bezahlung, sondern auch um die Frage: „Inwieweit ist hier berufliche Handlungsautonomie gegeben?“ Physiotherapeuten würden in einem komplexen Handlungsfeld arbeiten. Um den Therapieerfolg zu sichern, müssten Therapeuten daher selbst über Faktoren wie Behandlungsfrequenz, -art und -intervall entscheiden dürfen. Die Politik müsse diese Form des Handelns möglich machen.

 

 

Um die Rahmenbedingungen zu verbessern, hat Schleswig-Holstein im Jahr 2019 als erstes Bundesland das Schulgeld für die Ausbildung von Physiotherapeuten abgeschafft. Seitdem seien die freien Plätze an den Schulen wieder gefüllt, freute sich Marret Bohn MdL, Sprecherin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Bündnis 90/Die Grünen, und forderte eine bundeseinheitliche Lösung. Viele Bundesländer seien zwar bereits nachgezogen, doch es stehe ja auch noch die Weiterentwicklung der Modellstudiengänge der Therapieberufe in Regelstudiengänge an. Diese Transformation ist nun für das Jahr 2024 geplant. Für beides wünschte sie sich „einen klaren Fahrplan, damit Bund und Länder gemeinsam an einem Strang ziehen“. Und dieser dürfe dann keinesfalls an der Finanzierungsfrage scheitern.

 

 

 

 

 

Neben der anvisierten Vollakademisierung, die von allen anwesenden Diskutanten begrüßt wurde, brannte noch ein weiteres Thema unter den Nägeln: der Direktzugang. Der demographische Wandel werde besonders im ländlichen Raum schon bald dazu führen, dass die wohnortnahe Versorgung durch Fachärzte nicht mehr flächendeckend gewährleistet sein wird, erklärte Müller. „Die Blankoverordnung und auch der Direktzugang sind daher ganz wichtige Forderungen der SPD-Bundestagsfraktion.“

 

 

Bohn stimmte ihr in diesem Punkt zu. „Der Direktzugang ist auch von grüner Seite ein ganz wichtiger Aspekt“, betonte sie. Es mache viel mehr Sinn, wenn Patienten mit Beschwerden direkt in eine Physiotherapiepraxis gehen können, anstatt erst wochenlang auf einen Termin beim Orthopäden zu warten. Das bedeute für die Patienten mehr Lebensqualität und eine Perspektive darauf, schnell wieder gesund zu werden. Kippels zeigte sich ebenfalls von den Vorteilen des Direktzugangs überzeugt. „Das ist der Weg in die Zukunft: ein offenes Versorgungssystem, das kompetenzorientiert den Patienten durchs System führt.“

 

 

Um den Direktzugang perspektivisch zu ermöglichen, müssen zeitnah Modellprojekte dazu gesetzlich auf den Weg gebracht werden, bat Repschläger die anwesenden politischen Vertreter, sich in der nächsten Legislaturperiode dieses Themas anzunehmen.

 

 

Die vollständige Podiumsdiskussion ist im IFK-Youtube-Kanal abrufbar.

 

 

In den kommenden Tagen werden ausführliche Berichte zu den weiteren Programmpunkten folgen.

 

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