Die Blankoverordnung kommt zum 1. November 2024!

Rom wurde nicht an einem Tag erbaut und Ähnliches kann man auch über die Blankoverordnung sagen. Doch nun ist es endlich so weit: Am 1. November 2024 wird mit der Blankoverordnung eine neue Versorgungsform in der Physiotherapie eingeführt. Für die Physiotherapiepraxen stehen damit wesentliche Neuerungen in ihren täglichen Arbeitsabläufen ins Haus.

Ein Blick zurück: die gesetzliche Grundlage

Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz hat der Gesetzgeber im Jahr 2019 die gesetzliche Grundlage für die sogenannte Blankoversorgung geschaffen. Nach zahlreichen Verhandlungsrunden zwischen dem GKV-Spitzenverband und den maßgeblichen Physiotherapieverbänden sind die Verhandlungspartner schlussendlich zu einem Ergebnis gekommen und haben einen Vertrag nach § 125a SGB V zur Ausgestaltung der Blankoverordnung geschlossen.

Was ist anders? Was ist neu? 

In diesem Vertrag wurden insbesondere die Voraussetzungen zur Durchführung, Korrekturzeitpunkte und -möglichkeiten, Abrechnung und Indikationen sowie Regelungen zur wirtschaftlichen Leistungserbringung geregelt. Denn in vielen Punkten weicht die Blankoverordnung von einer „konventionellen“ Verordnung ab. Der wichtigste Unterschied der neuen Versorgungsform ist die erweiterte Entscheidungsfreiheit für die Therapeuten in der Behandlung. Denn anders als sonst gibt der Arzt auf einer Verordnung nur noch die Diagnose und die dazugehörige Diagnosegruppe an, die Auswahl der Heilmittel, Dauer und Frequenz der Behandlung obliegen dem Physiotherapeuten.

Die Blankoverordnung wurde von den Vertragspartnern für Gruppen bestimmter Indikationen festgelegt. Sie gilt somit nicht für alle Verordnungen, die ausgestellt werden. Die Blankoverordnung ist ab dem 1. November 2024 bei Erkrankungen im Bereich des Schultergelenks die Regel. Die entsprechenden Diagnosen (ICD-10-Codes) teilen sich in zwei Gruppen mit unterschiedlichem Behandlungsbedarf. Zum einen sind dies Arthrosen, Weichteilläsionen und Knorpelschäden, wie beispielweise „M19.01 Primäre Arthrose sonstiger Gelenke: Schulterregion“. Die andere Gruppe umfasst Frakturen, die konservativ und operativ versorgt werden, beispielsweise „S42.0- Fraktur der Klavikula“. Bei den vereinbarten Diagnosen soll der Arzt grundsätzlich eine Blankverordnung ausstellen. Eine weitere Indikation wird erst nach dem 31. Dezember  2025 verhandelt, sodass frühestens ab Mitte 2026 mit einer Erweiterung der festgelegten Indikationen bei der Blankoverordnung zu rechnen ist.

Die Verhandlungen

Die Blankoverordnung in der Physiotherapie ist nun – in den festgelegten Indikationsbereichen – die Regelversorgung. Das wird die Arbeit in den Praxen auf verschiedene Arten verändern.

Der IFK hat den Verhandlungsauftrag – den der Gesetzgeber durch das TSVG gegeben hat – sehr ernst genommen und die Verhandlungen wesentlich mitgestaltet. Es ist kein Geheimnis, dass wir die Blankoverordnung im Kern kritisch gesehen haben und immer noch sehen. Trotz aller Kritik an der Blankoverordnung war es dem IFK wichtig, ein gutes Verhandlungsergebnis vorzulegen. Unsere Ziele dabei waren unter anderem, dass die Blankoverordnung in der Praxis so gut wie möglich umsetzbar ist, keine zusätzliche überbordende und unbezahlte Bürokratie mit sich bringt und (wirtschaftliche) Nachteile für Praxen verhindert. Ein Grund, warum die Verhandlungen so lange dauerten, ist schlicht, dass das Erreichen dieser Ziele viel Zeit brauchte. Es hätte im vergangenen Jahr bereits die Möglichkeit gegeben, einen Vertrag abzuschließen. Die damals abgestimmten Vertragsinhalte wären jedoch weit von dem jetzigen Verhandlungsergebnis entfernt gewesen, weil die uns wichtigen Punkte noch nicht umgesetzt waren.

Eine der größten Gefahren ist nach wie vor, dass Ärzte bei den Indikationen, die in die Blankoverordnung aufgenommen werden, keine wirtschaftliche Verantwortung mehr tragen. Damit können Ärzte unbegrenzt Blankoverordnungen für den Indikationsbereich Schulter ausstellen. Gerade mit Blick auf die Mengenentwicklung – die die Krankenkassen selbstverständlich im Blick haben – ist es daher zu begrüßen, dass zunächst über ein Jahr lang nur eine auf die Schulterdiagnosen begrenzte Indikationsmenge in der Praxis umgesetzt wird. Um die Mengenentwicklung aussagekräftig beurteilen zu können, muss für einen tatsächlichen Überblick mindestens ein ganzes Kalenderjahr betrachtet werden.

Zudem bietet dieser Zeitraum die Gelegenheit, die Blankoverordnung und die vereinbarten Vertragsregeln (etwa zur Wirtschaftlichkeitsverantwortung oder zu den Wahlmöglichkeiten der vereinbarten Heilmittel) in der Praxis zu testen, um den Bedarf an eventuell nötigen Vertragsanpassungen erheben zu können.

Neue Leistungspositionen für die Physiotherapie

Um die Therapie für Patienten angemessen planen zu können, wurden im Rahmen der Blankoverordnung drei zusätzliche (Abrechnungs-)Positionen in den Leistungskatalog aufgenommen: die physiotherapeutische Diagnostik, die Bedarfsdiagnostik sowie eine Mehraufwandspauschale.

Vor Behandlungsbeginn einer Blankoverordnung muss der Therapeut eine sogenannte physiotherapeutische Diagnostik durchführen. Mit dieser Leistungsposition wurde erstmals eine Diagnostikposition für Physiotherapeuten in der gesetzlichen Krankenversicherung geschaffen. Dies ist als großer Erfolg zu werten. Im Rahmen der physiotherapeutischen Diagnostik findet eine Untersuchung sowie eine Anamnese des Patienten statt. Auf Basis dieser kann der Therapeut unter Einbezug des Patienten die Therapieziele festlegen und eine Therapieplanung erstellen. Dabei obliegt es dem Therapeuten, welche Heilmittel der Patient erhält, wie oft und in welcher Anzahl diese durchgeführt werden sollen.

Bei der Planung der Therapie trägt der Therapeut die Verantwortung dafür, dass eine unverhältnismäßige Mengenausweitung in der Anzahl und im Umfang der Behandlungseinheiten je Patient vermieden wird. Um dies so unbürokratisch und transparent wie möglich zu gestalten und gleichzeitig den gesetzlichen Auftrag im TSVG nach einer Vereinbarung von Wirtschaftlichkeitsmaßnahmen zu erfüllen, wurde in den Vertrag zur Blankoverordnung ein sogenanntes Ampelsystem aufgenommen, das eine Höchstanzahl von Behandlungseinheiten für die Diagnosegruppen vorgibt. Im grünen Bereich erfolgt eine volle Vergütung der physiotherapeutischen Leistungen, im roten Bereich gib es Abschläge in Höhe von neun Prozent bei den Preisen. Die vereinbarten Mengen orientieren sich an der Heilmittel-Richtlinie und sollten grundsätzlich ausreichen, die jeweiligen Therapieziele zu erreichen. Zur Untersuchung des Patienten während einer laufenden Behandlungsserie oder am Therapieende kann bei einer Blankoverordnung zusätzlich eine Bedarfsdiagnostik erfolgen, bei der der bisherige Therapieverlauf bewertet und die Therapieziele überprüft werden können. Da die Annahme und Durchführung einer Blankoverordnung im Vergleich zur konventionellen Verordnung mit einer erhöhten Verantwortung sowie mehr Verwaltungsaufwand für den Leistungserbringer verbunden ist, kann pro Verordnung zusätzlich die „Mehraufwandspauschale” abgerechnet werden.  

Informationsmaterialien für IFK-Mitglieder

Die Blankoverordnung stellt Praxen mit ihren zahlreichen Unterschieden zu konventionellen Verordnungen vor große Herausforderungen. Der IFK stellt seinen Mitgliedern daher detailliertes Informationsmaterial zur Verfügung, mit der die Einführung der Blankoverordnung im Praxisbetrieb erleichtert werden soll:

  • Merkblatt „Blankoverordnung“: Im neuen Merkblatt „A 24 Blankoverordnung“ werden alle Inhalte und Vorgaben des Vertrags zur Blankoverordnung detailliert erläutert. Das Merkblatt enthält zudem die vollständige Liste der Diagnosen, für die eine Blankoverordnung möglich ist. Viele weitere bestehende Merkblätter, zum Beispiel „A06 Prüfpflichten“, wurden entsprechend der Regelungen rund um die Blankoverordnung angepasst.
  • Praxisbeispiel: Wie läuft die Behandlung eines Patienten tatsächlich ab? Anhand von Fallbeispielen finden Sie im Merkblatt „A24a Praxisbeispiel“ verschiedene Szenarien für den Ablauf der Behandlung
  • Checklisten: Da Praxen auch bei der Blankoverordnung eine Prüfpflicht haben, finden Sie in den Checklisten zur Blankoverordnung übersichtlich, welche Felder wie vom Arzt ausgefüllt werden müssen und was wann korrigiert werden darf. (Anlage zu Merkblatt „A06 Prüfpflichten“)
  • Poster: Die Zuzahlung für die Patienten kann sich im Rahmen einer Blankoverordnung je nach Therapieverlauf ändern. Praxen sind dazu verpflichtet, ihre Patienten über mögliche Rückzahlungsansprüche zu viel gezahlter Zuzahlungen zu informieren. Der IFK hat dazu ein entsprechendes Poster zum Aushang vorbereitet.

Alle Informationsmaterialien finden Sie im geschützten Mitgliederbereich.

Online-Themenabend für IFK-Mitglieder

Bei der Durchführung und Abrechnung von Blankoverordnungen gibt es Einiges zu beachten. In einem Online-Themenabend können sich IFK-Mitglieder über die grundlegenden Aspekte rund um die Einführung der Blankoverordnung informieren. Ute Repschläger, IFK-Vorstandsvorsitzende, und Anja Schlüter, stellvertretende Referatsleiterin Kassenverhandlungen und Wirtschaft beim IFK, werden bei dem Themenabend ausführlich über die berufspolitischen Hintergründe und die praktischen Auswirkungen der Blankoverordnung berichten. Die Veranstaltung richtet sich exklusiv an IFK-Mitglieder und ihre Angestellten, inklusive Rezeptionskräften.

Mittwoch, 28. August 2024, 19:00 – ca. 20:30 Uhr

Freitag, 20. September 2024, 18:00 – ca. 19:30 Uhr

Mittwoch, 9. Oktober, 18:00 – ca. 19:30 Uhr

Hier geht es zur Anmeldung.

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2024 | 15.10. In den letzten Monaten hat der IFK eine Sachverständigenkommission für die Begleitung gerichtlicher Verfahren mit physiotherapeutischem Bezug aufgebaut. Interessierte können sich für die Aufnahme in die Sachverständigenkommission bewerben.