Vergütungssituation unbefriedigend, Fachkräftemangel ungebrochen:
Die Ergebnisse der ersten gemeinsamen Wirtschaftlichkeits-Analyse der drei Berufsverbände IFK, PHYSIO-DEUTSCHLAND und VPT wurden in Nürnberg präsentiert. Praxisbesitzer aus ganz Deutschland haben ihre Daten für die Erhebung „PhysioPraX 2.0“ zur Verfügung gestellt, auf deren Grundlage das Institut für Gesundheitsökonomik (IfG) unter Leitung von Prof. Dr. Günter Neubauer nun ein betriebswirtschaftliches Gutachten zur Situation physiotherapeutischer Praxen erstellt hat. Die Analyse unterstreicht die nach wie vor unbefriedigende wirtschaftliche Situation, den hohen, unbezahlten Verwaltungsaufwand sowie das konkrete Ausmaß des Fachkräftemangels.
Wirtschaftliche Situation unbefriedigendMit einem durchschnittlichen Bruttostundenlohn von ca. 14 Euro finden sich angestellte Therapeuten in den Praxen trotz anspruchsvoller Ausbildung weit unten in der Gehaltskette wieder. Bedenkt man gleichzeitig, dass viele Physiotherapeuten aufgrund des hohen Schulgeldes und der kostspieligen Weiterbildungen mit Schulden ins Berufsleben starten, wirkt die wirtschaftliche Situation noch prekärer. Eine höhere Entlohnung ist aber nicht darstellbar vor dem Hintergrund, dass selbst die Praxisinhaber im Durchschnitt lediglich auf ein verfügbares Monatseinkommen von 2.575 Euro zurückgreifen können. Dieses Monatseinkommen ist hinsichtlich des Arbeitseinsatzes, der Verantwortung und des Unternehmerrisikos deutlich zu niedrig. Dies wird beispielsweise auch dadurch deutlich, dass es im Vergleich mit einem im TVöD angestellten Therapeuten mit vergleichbarem Verantwortungsbereich deutlich geringer ausfällt.
Unbezahlter Verwaltungsaufwand enorm
Mit ein Grund für das vergleichsweise geringe Einkommen eines Praxisbesitzers ist der hohe Verwaltungsaufwand, der zum größten Teil im Namen der Kostenträger erfolgt (beispielsweise die Erhebung der Zuzahlungen), bei der Vergütung aber nach wie vor unberücksichtigt bleibt. Für gesetzlich versicherte Patienten veranschlagen Praxen laut Gutachten durchschnittlich 40 Stunden/Woche reinen Verwaltungsaufwand, der von Therapeuten und Praxisbesitzern zusätzlich zu den Therapieleistungen erbracht werden muss. Davon entfallen ca. 10 Stunden auf den Praxisinhaber – die daraus resultierenden Opportunitätskosten (entgangener Reinertrag durch entgangene Patientenbehandlungen) belaufen sich hier allein schon auf 315 Euro pro Woche.
Fachkräftemangel überdeutlich
Ein weiteres Problemfeld, das auch Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit einer Praxis hat, ist der Fachkräftemangel. Ca. 60 Prozent aller teilnehmenden Praxen gaben an, ungedeckten Personalaufwand zu haben. Im Durchschnitt fehlt es pro Praxis an Personal für rund 26 Wochenarbeitsstunden – ein Defizit, das sich auch auf der Einnahmen-Seite bemerkbar macht.
Patient im Mittelpunkt
Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation stehen für physiotherapeutische Praxen offensichtlich Patient und Behandlungsqualität im Vordergrund: Im Durchschnitt wird bei einer möglichen Taktung von 15 bis 25 Minuten rund 23 Minuten am Patienten gearbeitet (KG Einzelbehandlung). Um die Patienten bestmöglich behandeln zu können, wird außerdem in Fortbildungen investiert: Durchschnittlich fallen 42 Arbeitstage pro Praxis dafür an.
Über PhysioPraX 2.0
Mit dem Projekt PhysioPraX 2.0 verfolgen die drei größten physiotherapeutischen Berufsverbände in Deutschland, PHYSIO-DEUTSCHLAND, VPT und IFK, gemeinsam das Ziel, eine objektive Datengrundlage zu erhalten: Welche Aufwendungen müssen Praxen leisten, wie verteilen sich diese, wie entwickeln sich Verwaltungsaufwand und Vergütung über eine längeren Zeitraum etc.
Das Projekt PhysioPraX wurde ursprünglich 2008 von PHYSIO-DEUTSCHLAND, Landesverband Bayern, ins Leben gerufen und seither kontinuierlich optimiert und ausgeweitet. 2016 schloss sich der VPT dem Projekt an.
Der IFK führt seit 1998 regelmäßig eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durch. In den letzten Jahren wurde immer deutlicher, dass es für Kassenverhandlungen und Politik wichtig ist, eine möglichst breite Datenbasis aufzustellen und dafür gemeinsame Branchendaten zu sammeln. Daher stieg man in Verhandlungen ein, eine gemeinsame Umfrage durchzuführen. 2018 wurde die IFK-Wirtschaftlichkeitsumfrage mit PhysioPraX zusammengeführt – so entstand PhysioPraX 2.0. Das aktuelle Gutachten wertet betriebswirtschaftliche Daten aus dem Jahr 2016 aus. Die Analyse stellt den teilnehmenden Praxen einerseits Orientierungs- und Vergleichswerte für eine wirtschaftliche Praxisführung zur Verfügung. Andererseits liefern die anonymisierten Daten den Verbänden valides Datenmaterial, das als Grundlage für die Vertragsverhandlungen mit den Gesetzlichen Krankenkassen dient.
Wissenschaftlich betreut und ausgewertet wird die Analyse auf neutraler Basis durch das Institut für Gesundheitsökonomik (IfG) unter Leitung von Prof. Dr. Günter Neubauer.
Weitere Infos zum Projekt unter www.bwa-physioprax.de/2.0