Reichste Kasse zahlt niedrigste Vergütung

Die AOK Sachsen-Anhalt gilt mit Rücklagen von 340 Euro je Versichertem und Gesamtrücklagen von knapp 512 Millionen Euro bundesweit als eine der reichsten Krankenkassen. Umso empörender ist das Verhalten der AOK in Bezug auf die Vergütung von physiotherapeutischen Leistungen. Denn hier zahlt die Kasse bundesweit die niedrigsten Preise – und das obwohl die Mehrheit der zu Behandelnden in Sachsen-Anhalt bei ihr versichert ist.

Tatsache ist, dass Physiotherapeuten in Sachsen-Anhalt aufgrund des schlechten Vergütungsniveaus bundesweit die geringsten Gehälter erhalten. Der durchschnittliche Verdienst der Therapeuten liegt laut Statistiken der Bundesagentur für Arbeit bei circa 1.650,- Euro brutto. Für Praxisinhaber zeichnet sich ein ähnlich dramatisches Bild: Zieht man vom Bruttogewinn des alleinstehenden Inhabers einer Kleinpraxis noch Steuern und Sozialabgaben ab, so verbleibt netto ein durchschnittlicher Monatsgewinn von nur rund 2.140 €. Auch hier besteht also dringender Handlungsbedarf.

Entsprechende Vertragsverhandlungen mit dem Ziel einer angemesseneren Vergütung von physiotherapeutischen Leistungen mit der AOK Sachsen-Anhalt scheiterten jedoch an deren Weigerung, eine Preiserhöhung über die gesetzlichen Preisuntergrenzen (PUG) – zu deren Anpassung sie sowieso verpflichtet sind – vorzunehmen. Allerdings war die AOK nicht einmal bereit, die Preise in Höhe der Preisuntergrenzen (PUG) sofort und ohne weitere Nebenbedingungen an die Praxen auszuzahlen.

Selbst an dieser Stelle bedient sich die Kasse im Rahmen der Verhandlungen, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts unwürdiger Taktiken. So erschien am 20. März 2018 ein Interview des AOK-Vorstandsvorsitzenden Ralf Dralle in der Mitteldeutschen Zeitung, dessen Ausführungen ein Schlag ins Gesicht der Therapeuten Sachsen-Anhalts sind. Die Darstellung der Sachlage durch Dralle in besagtem Interview ist nicht nur falsch, sie ist mindestens auch sarkastisch:

1. „Es gibt gesetzliche Regelungen, nach denen die Preise festgelegt werden. Daran halten wir uns.“

Fakt ist: An eben diese Regelungen hält sich die AOK nicht, sie zahlt durchschnittlich über sechs Prozent weniger. Ab dem 1. April 2018 wird die Lücke bei knapp 20 Prozent liegen.

Ebenso äußerte der AOK-Chef sich nach eigenen Worten „auf Basis vieler Gespräche“ zum Thema Transparenz folgendermaßen:

2. „Bisherige Erhöhungen kommen bei den Angestellten nicht an.“

Die AOK hat die Grenze des Zumutbaren überschritten und versucht dazu noch, Praxisinhaber in ein schlechtes Licht zu rücken. Das ist nicht nur unseriös, sondern verdreht zugleich die Tatsachen.

Fakt ist: Im Gegensatz zur AOK verfügt der IFK über belastbare Zahlen aus dem Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit, nach denen die Angestelltengehälter in Sachsen-Anhalt in 2016 um 4,39 Prozent stiegen – und das, obwohl die Preise im Jahr zuvor 2015 bei der AOK nur um 3,67 Prozent erhöht wurden. Und das trotz der brisanten Einkommensbasis der Praxisinhaber im Land, die sich aus folgenden Zahlen eindrucksvoll erklärt: Der Minutenpreis z. B. einer Krankengymnastik beträgt bei der AOK Sachsen-Anhalt 0,74 €. Das liegt 24 Cent unter dem Wert des vdek, der diese Position mit 0,98 € pro Minute vergütet. Anders ausgedrückt: Der vdek zahlt 32,4 Prozent mehr für die Krankengymnastik.

Zusammenfassend kann man sagen: Die geringe Vergütung gefährdet die flächendeckende Versorgung mit Heilmitteln. Das ist ein Skandal!

Derzeit befinden sich die Berufsverbände und die Kasse im Schiedsverfahren. Auch in diesem Kontext zeichnet sich bisher keine weitere Bewegung der AOK ab. Die gute Nachricht: Eine Entscheidung ist Mitte Mai endlich zu erwarten. Der IFK geht davon aus, dass damit eine signifikante Vergütungserhöhung in greifbare Nähe rückt.

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