Wissenschaftspreis 2022: Physiotherapeutische Versorgung von Wohnungslosen ist schlecht
Wie ist die physiotherapeutische Versorgung von Wohnungslosen? Dieser Frage geht Justin Gläser in seiner an der Hochschule für Gesundheit eingereichten Bachelorarbeit mit dem Titel „Wahrgenommene Bedarfe und physiotherapeutische Versorgung von Wohnungslosen in Bochum und Dortmund“ nach. Beim IFK-Wissenschaftspreiswettbewerb kam er damit in der Kategorie klinisch/experimentell auf den zweiten Platz.
Wie Gläser ausführt, ist der gesundheitliche Zustand von wohnungslosen Menschen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung auffällig schlecht. Grund dafür sind zum einen die besonderen Lebensumstände der Betroffenen und zum anderen der schlechte Zugang zur medizinischen Regelversorgung. Der Zugang zu den Versorgungssystemen war dabei schon mehrfach Gegenstand der Forschung. Der physiotherapeutischen Versorgung wurde dabei, insbesondere in Deutschland, kaum Beachtung geschenkt. Obwohl Physiotherapie, auch im Kontext von Wohnungslosigkeit, zur physischen und psychischen Gesundheit dieser vulnerablen Gruppe beitragen kann, ist kaum etwas zu den spezifischen Bedarfen der Betroffenen bekannt.
Gläser befragte in einem sequenziellen Mixed-Methods Ansatz zunächst 47 Betroffene zu ihrem Gesundheitszustand sowie physiotherapeutischen Erfahrungen und Bedarfen. Anschließend wurden drei Interviews mit wohnungslosen Personen geführt und ausgewertet.
Wie die Studie zeigte, war der Gesundheitszustand der Teilnehmer schlecht. 68,3 Prozent litten unter chronischen Erkrankungen und 61 Prozent der Teilnehmer berichteten von Einschränkungen bei der Durchführung von Alltagstätigkeiten. 56,1 Prozent meldeten subjektiven Bedarf an physiotherapeutischer Intervention, gleichzeitig waren lediglich 9,1 Prozent in physiotherapeutischer Behandlung. Der Zugang zur Physiotherapie wurde primär als mittelmäßig (43,9 Prozent) und schlecht bis sehr schlecht (26,8 Prozent) bewertet.
Barrieren, die eine Versorgung erschweren, sind Angst vor Stigmatisierung, mangelnde Hygiene, persönliche Ressentiments und geringe Mobilität. Ein niedrigschwelliges, auf Wohnungslose spezialisiertes Angebot mit Hygienemöglichkeiten und geschulten Therapeuten könnte die Versorgung verbessern, befindet Gläser.